"Integration lohnt sich!" – Kantonale Integrationsprogramme (KIP)

Es gilt das gesprochene Wort.
Rede von Barbara Büschi, stellvertretende Direktorin BFM, anlässlich des Point de Presse "Kantonale Integrationsprogramme (KIP)"

Sehr geehrte Damen und Herren,

Haben Sie herzlichen Dank für Ihr Kommen und Ihr Interesse an den kantonalen Integrationsprogrammen (KIP).

1. Integration als Grundlage für eine erfolgreiche Migrationspolitik

Die Schweiz ist seit einigen Jahrzehnten ein Einwanderungsland. Das war in der Geschichte unseres Landes nicht immer so. In früheren Jahrhunderten sind viele Schweizerinnen und Schweizer ausgewandert. Oft war es die einzige Möglichkeit, sich und der Familie eine Perspektive zu eröffnen und die Existenz zu sichern. Andere wieder verliessen die Schweiz um ihre beruflichen Kenntnisse zu erweitern. Heute ist es umgekehrt und die Schweiz wird für zahlreiche Personen zur neuen Heimat.

Damit die Einwanderung unserem Land nicht nur zu Wohlstand verhilft, sondern auch das Zusammenleben von Zugewanderten und Einheimischen funktioniert und bereichernd ist, braucht es die Integration. Integration ist eine Grundlage für eine erfolgreiche Migrationspolitik.

2. Klare Strategie des Bundesrates: Integrationsplan

Die Integration in der Schweiz ist ein Erfolg, wie eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) feststellt: Die grosse Mehrheit der Migrantinnen und Migranten nimmt aktiv am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben teil. Die Schweiz kann sich im Vergleich mit anderen europäischen Staaten bezüglich Integration am Arbeitsplatz, in der Bildung und beim Einkommen durchaus sehen lassen.

Im März 2011 verabschiedete der Bundesrat den Integrationsplan und legte fest, wie die Integration in den kommenden Jahren weiter verbessert werden soll. Die Stossrichtungen des Integrationsplans sind:

  1. die gesetzliche Ebene mit der Teilrevision des Ausländergesetzes (neu umbenannt in Ausländer- und Integrationsgesetz),
  2. die Verstärkung der Integrationsmassnahmen vor Ort in den Kantonen und Gemeinden
  3. und der Dialog zwischen dem Staat und nicht-staatlichen Akteuren.

Das Bundesamt für Migration sowie die Kantone und Gemeinden setzen den Integrationsplan gemeinsam um.

3. Erfolgsmeldung: 26 KIP

Das BFM und die Kantone sind mit der Umsetzung eines Programms gestartet, das die schweizerische Erfolgsgeschichte der Integration fortsetzen und weiterentwickeln will. Dieses Programm heisst kurz KIP: Kantonales Integrationsprogramm. Entsprechend handelt es sich nicht nur um ein Programm, sondern um 26 Programme. Jeder Kanton hat ein KIP erarbeitet und auf dieser Grundlage mit dem Bundesamt für Migration eine Programmvereinbarung über vier Jahre (2014-2017) abgeschlossen. Mit den KIP werden die bestehenden Integrationsmassnahmen in den Kantonen und Gemeinden verstärkt und an die lokalen Bedürfnisse und Gegebenheiten angepasst – wie dies die zweite Ausrichtung des Integrationsplans vorsieht.

Der Start der KIP markiert einen Meilenstein: In der ganzen Schweiz werden neu flächendeckend die gleichen Ziele zur Förderung der Integration verfolgt. Bund und Kantone ziehen am selben Strick. Den Startschuss dazu gaben der Bundesrat und die Konferenz der Kantonsregierungen: Sie verabschiedeten vor zwei Jahren eine gemeinsame Strategie. Und sie beauftragten das Bundesamt für Migration und die Kantone wirksame Massnahmen zu entwickeln.

Die Strategie basiert auf einem Fördermodell mit drei Pfeilern – wie mit dem blauen Haus dargestellt:

Spezifische Integrationsförderung von Bund und Kantonen ab 2014
Spezifische Integrationsförderung von Bund und Kantonen ab 2014

Der erste Pfeiler steht für Information und Beratung. Der zweite für Bildung und Arbeit und der dritte für Verständigung und gesellschaftliche Integration.

In den Programmvereinbarungen haben sich das Bundesamt für Migration und die Kantone auf verbindliche Ziele und Indikatoren geeinigt, die bis Ende 2017 zu diesen drei Pfeilern erreicht werden sollen. Das übergeordnete Ziel ist, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Bund, Kantone und Gemeinden investieren dazu gemeinsam 115 Millionen Franken jährlich. Dies entspricht knapp 15 Franken pro Einwohner.

4. Erstinformation: Integration direkt nach der Einreise

Welche konkreten Massnahmen sehen das Bundesamt für Migration und die Kantone vor, um die Integration von Zugewanderten noch besser und nachhaltiger zu unterstützen? Stellen Sie sich einen portugiesischen Bauarbeiter vor, der hier arbeitet. Er hat die Schweiz zu seinem Lebensmittelpunkt gemacht und will mit seiner Familie hier leben. Seine 40-jährige Frau, seine 11-jährige Tochter und sein 17-jähriger Sohn ziehen zu ihm in die Schweiz. Dies ist eine typische Zuwanderungsgeschichte, die ihren Ursprung im wirtschaftlichen Erfolg und der hohen Lebensqualität der Schweiz hat.

Der Integrationsprozess beginnt direkt nach der Einreise. Mutter, Tochter und Sohn werden im Kanton begrüsst:

  1. Erstens werden sie in der Schweiz willkommen geheissen.
  2. Zweitens erhalten sie die wichtigsten Informationen – zum Beispiel zur obligatorischen Krankenversicherung.
  3. Drittens werden sie über ihre Rechte und Pflichten orientiert. Dazu zählt auch die Erwartung, dass sie sich in der Schweiz integrieren.

Die Erstinformation wird in einigen Kantonen und Gemeinden bereits seit mehreren Jahren umgesetzt. Mit den KIP wird in der ganzen Schweiz neu ein einheitlicher Standard eingeführt: Bis spätestens Ende 2017 werden in allen Kantonen alle neu zuziehende Personen vor Ort begrüsst und informiert werden.

5. Sprache: Grundvoraussetzung für die Integration

Was sind im Anschluss an die Erstinformation die weiteren Integrationsschritte der portugiesischen Familie? Nehmen wir an die Mutter, die Tochter und der Sohn sprechen portugiesisch und nur ein paar Worte Französisch. Für sie ist es unabdingbar, die lokale Sprache zu lernen. Denn nur so können sie sich im Alltag zurechtfinden und ein selbstbestimmtes Leben führen. Sprache ist eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Integration.

Wie lernt die portugiesische Familie die lokale Sprache? Am einfachsten ist dies für die 11-jährige Tochter. Sie lernt die Sprache in der Schule dank Sprachkursen für fremdsprachige Schülerinnen und Schüler. Es gehört zum Auftrag der Schule, die Schülerinnen und Schüler zu fördern. In der Fachsprache nennen wir dies Integrationsförderung in den Regelstrukturen. Eine erfolgreiche Integration setzt immer zuerst in den bestehen Strukturen an, welche Einheimischen und Migranten offen stehen: also in der Schule, in der Berufsbildung oder auf dem Arbeitsmarkt. Was für die Integration nötig ist, kann in den meisten Fällen über bestehende Strukturen abgedeckt werden.

Anders sieht es aus für die 40-jährige Mutter und den 17-jährigen Sohn. Erwachsene, die noch keine Landessprache sprechen, können nicht auf die Regelstruktur "Schule" zurückgreifen. Insbesondere Zuwanderer ohne gute Ausbildung, die über ein geringes Einkommen verfügen, unregelmässige Arbeitszeiten haben und/oder Kinder betreuen müssen, stossen auf Schwierigkeiten bei der Suche nach einem passenden und günstigen Sprachkurs. Hier braucht es das Sprachkursangebot des Bundesamtes für Migration und der Kantone.

6. Sprachkurse: Ausgerichtet auf Bedarf und Bedürfnisse

Die Schweiz besitzt bereits heute ein Angebot mit rund 5000 lokalen Sprachkursen in den Kantonen und Gemeinden. Jedes Jahr nehmen daran über 100 000 Personen teil. Das BFM unterstützt das Angebot mit jährlich rund 8 Millionen Franken. Die Kurse sind den unterschiedlichen Bedürfnissen und Voraussetzungen der Migranten angepasst. 70% sind "reine" Sprachkurse. Die anderen richten sich an bestimmte Personengruppen: Beispielsweise Alphabetisierungskurse für Personen, welche das lateinische Alphabet noch nicht beherrschen. Oder Eltern-Kinder-Kurse, wo die Mutter bzw. der Vater gemeinsam mit den Kindern lernt. Oder Integrationskurse, in denen neben der Sprache auch Informationen zum Leben in der Schweiz vermittelt werden.

7. fide: Wirkung und Qualität von Sprachkursen verbessern

Mit den KIP wird das Sprachkursangebot qualitativ und quantitativ ausgebaut. Quantitativ, weil der Bedarf noch immer nicht gedeckt ist und es mehr Sprachkurse braucht. Qualitativ, weil die Migranten die neue Sprache rasch lernen sollen. Und zwar so, dass sie das Erlernte sofort im Alltag anwenden können, sei es beim Einkaufen oder am Elternabend in der Schule. Denn die Wirkung eines Sprachkurses wird an seinem Beitrag zur Integration gemessen. Um die Qualität und die Wirkung der Sprachkurse zu verbessern, hat das Bundesamt für Migration das Programm "fide" (französisch-italienisch-deutsch) ins Leben gerufen. "fide" stellt für Sprachkursleitende eine Vielfalt an Lehrmaterial zur Verfügung, damit der Unterricht noch praxisnaher und alltagsorientierter ausgerichtet ist. Zudem fanden 2013 erste Schulungen mit 700 Sprachkursleitenden statt. Ab Sommer 2014 startet dann die gesamtschweizerische Aus- und Weiterbildung, die zum Zertifikat "Sprachkursleitende im Integrationsbereich" führt. "fide" ist heute mit einem Stand vertreten, an dem Sie sich direkt und über Filmbeiträge informieren können.

8. Interkulturelles Dolmetschen: Sich verstehen, wenn es wichtig ist

Auch hoch motivierte Zuwanderer lernen die neue Sprache nicht von einem Tag auf dem anderen. Trotzdem befinden sie sich in der Schweiz und müssen sich ab dem ersten Tag verständigen können. Es gibt Alltagsituationen, die eine spezielle Unterstützung erfordern. Denken Sie etwa an den Besuch beim Arzt, wenn komplizierte Abklärungen getroffen werden müssen. Oder an ein Elterngespräch in der Schule, wenn es um den Übertritt in die nächste Schulstufe geht. Sprachliche Barrieren können in solchen Situationen rasch zu Missverständnissen führen und im schlimmsten Fall schwerwiegende Folgen haben. Eine richtige Diagnose kann sich verzögern oder das Potential eines Migrantenkindes bleibt ungenutzt.

Dolmetschende leisten hier wertvolle Arbeit und helfen bei der Verständigung. Sie dolmetschen nicht nur die Sprache, sondern berücksichtigen auch die kulturellen und sozialen Hintergründe der Gesprächspartner: Zum Beispiel beim Gespräch zwischen dem Schweizer Lehrer und der portugiesischen Mutter. Oder zwischen dem Schweizer Arzt und der portugiesischen Tochter. Aus diesem Grund werden Dolmetschende interkulturell geschult. Bis zu 6000 Institutionen, vor allem Spitäler, Schulen und Berufsberatungsstellen, setzen Dolmetschende ein.

Das Bundesamt für Migration unterstützt die Institutionen mit einem Vermittlungsdienst: In der Schweiz gibt es 13 regionale Vermittlungsstellen mit über 2000 interkulturellen Dolmetschenden, die über 100 Sprachen abdecken. Sie sind dafür zuständig, dass die Institutionen für die anstehenden Gesprächssituationen die richtige Dolmetscherin, den richtigen Dolmetscher finden.

Mit den KIP wird das interkulturelle Dolmetschen schweizweit ausgeweitet, noch besser verankert und professionalisiert. Die Zuständigkeit für die Vermittlung geht neu auf die Kantone über. Auf nationaler Ebene engagiert sich die Dachorganisation INTERPRET im Auftrag des Bundesamtes für Migration für die Qualitätssicherung. Auch sie ist heute mit einem Stand vertreten. Sie haben im Anschluss die Möglichkeit, sich direkt und über Filmbeiträge über das interkulturelle Dolmetschen zu informieren.

9. Arbeitsmarktfähigkeit: Sprache alleine reicht nicht, um eine Arbeit zu finden

Sprache ist jedoch nicht die einzige Voraussetzung für eine gute Integration. Gerade Jugendliche, wie der 17-jährige Sohn unserer portugiesischen Familie, haben trotz guten Sprachkenntnissen Schwierigkeiten, sich in den Schweizer Arbeitsmarkt zu integrieren. Das Stichwort lautet Arbeitsmarktfähigkeit.

Die Regelstrukturen, das heisst in diesem Fall die Berufsbildung und die Sozialversicherungen, stossen hier oft an Grenzen. Zwar gibt es in den Kantonen viele Massnahmen für einheimische wie zugewanderte Stellensuchende, etwa die Brückenangebote für Jugendliche. Doch noch immer fallen Migranten durch die Maschen – und dies vielfach trotz hoher Motivation und einem grossen Potential an Fähigkeiten. Das gilt besonders für vorläufig aufgenommene Personen und anerkannte Flüchtlinge.

Das Restaurant la CULTina, in dem sie sich heute befinden, ist ein Schulrestaurant für Menschen aus Krisengebieten. Hier durchlaufen 15 Personen eine halbjährige Ausbildung mit dem Ziel, anschliessend im Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden. Auch ein Vertreter der la CULTina steht Ihnen im Anschluss für Informationen Rede und Antwort.

Das Bundesamt für Migration unterstützt die Kantone seit 2008 bei der Umsetzung dieses und über 1000 weiterer Projekte und Programme. Dazu zählen auch Standortbestimmungen und Coachings (Case Management). In Abhängigkeit der individuellen Situation der Person wird ein Integrationsplan festgelegt, der die Teilnahme an Sprachkursen, Praktika, Beschäftigungsprogramme, etc. regelt. Es zeigt sich, dass spezifische Massnahmen für Menschen aus Krisengebieten notwendig sind, um sie am Erwerbsprozess beteiligen zu können.

Mit den KIP werden das Bundesamt für Migration und die Kantone die Wirkungen der bestehenden Arbeitsintegrationsmassnahmen verstärken und diese auch für weitere Personen öffnen, wie den im Familiennachzug zugewanderten 17-jährigen Portugiesen.

10. Fazit

Ich habe Ihnen eingangs meines Referates gesagt, dass die Schweiz bereits heute mit Erfolg Zugewanderte integriert. Die Integration gelingt dank dem täglichen Engagement von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern sowie von Zugezogenen, im Quartier, am Arbeitsplatz und in der Schule. Das Bundesamt für Migration und die Kantone unterstützen den Integrationsprozess mit gezielten Massnahmen. Mit den KIP wird die Integrationsförderung in der ganzen Schweiz quantitativ und qualitativ weiterentwickelt. Das übergeordnete Ziel ist, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Innerhalb der drei genannten Pfeiler (siehe blaues Haus - KIP Plakat) haben Bund und Kantone acht Förderbereiche definiert, von denen ich Ihnen heute vier näher vorstellen konnte:

  • Erstinformation
  • Interkulturelles Dolmetschen
  • Sprachförderung
  • Arbeitsmarktintegration

Die übrigen Förderbereiche sind:

  • Beratung
  • Schutz vor Diskriminierung
  • Frühe Förderung
  • Soziale Integration

Das Bundesamt für Migration und die Kantone haben sich in diesen acht Förderbereichen auf verbindliche strategische Ziele geeinigt, die bis Ende 2017 erreicht werden sollen. So sollen sich beispielsweise alle neu zugezogenen Personen in der Schweiz willkommen fühlen oder sich im Alltag in einer Landessprache verständigen können. Die Kantone legen unabhängig fest, mit welcher Strategie sie die Ziele erreichen wollen. So ist sichergestellt, dass die Integrationsmassnahmen auf ihre Bedürfnisse und den Bedarf abgestimmt sind und die grösstmögliche Wirkung entfalten.

Letzte Änderung 28.02.2014

Zum Seitenanfang