Es kommt immer wieder vor, dass homo- und bisexuelle Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung tätlich oder verbal angegriffen werden. Das Internet und die sozialen Medien verschärfen das Problem zusätzlich; Hass-Aussagen und Beschimpfungen erreichen in kürzester Zeit Zehntausende.
Insbesondere wenn beispielsweise "die Homosexuellen" als Gruppe beschimpft, herabgewürdigt oder diskriminiert werden, können sich Betroffene nur ungenügend wehren. Derzeit ist es beispielsweise nicht verboten eine Aussage zu machen wie: "Alle Schwulen sind abartig". Zwar bieten Straf- und Zivilrecht heute einen gewissen Schutz gegen Persönlichkeits- und Ehrverletzungen – dieser Schutz gilt aber nur für Einzelpersonen. Neu wäre die Gruppe ebenfalls geschützt.
Der Begriff "Sexuelle Orientierung" meint, von wem sich eine Person gefühlsmässig und sexuell angezogen fühlt. Er bezieht sich also auf lesbische, schwule, bi- und heterosexuelle Personen. Für die meisten Menschen ist die sexuelle Orientierung ein zentraler Aspekt ihrer Persönlichkeit.
Nicht zum Begriff der sexuellen Orientierung gehören sexuelle Praktiken und Verhaltensweisen. Die neue Strafnorm schützt auf keinen Fall Pädophile. Auch nicht zum Begriff der sexuellen Orientierung gehört die Geschlechtsidentität. Diese bezeichnet das Zugehörigkeitsgefühl zu einem oder mehreren Geschlechtern.
Die Bundesverfassung verbietet Diskriminierungen generell (Art. 8 Abs. 2 BV) – namentlich wegen körperlichen Merkmalen wie Rasse, Geschlecht, Alter oder auch Behinderungen, aber auch wegen Herkunft, Sprache oder Lebensform.
Das Parlament hat aufgrund der gesellschaftlichen Realitäten entschieden, neben Diskriminierung aufgrund der Rasse, Ethnie oder Religion auch solche aufgrund der sexuellen Orientierung explizit unter Strafe zu stellen.
Nein, die Meinungsäusserungsfreiheit ist in der Schweiz durch die Verfassung garantiert und wird durch die Erweiterung des Strafgesetzbuchs nicht verletzt. So bleiben sachliche Meinungsäusserungen selbstverständlich weiterhin möglich, sogar dann, wenn sie provokativ oder übertrieben sind. Verboten ist nur, was die Menschenwürde verletzt. Wer respektvoll bleibt, riskiert keine Strafe.
Die Erfahrung mit der bisherigen Anti-Rassismus-Strafnorm zeigt, dass die Gerichte der Meinungsäusserungsfreiheit grosses Gewicht beimessen.
Das öffentliche Zitieren von Bibelstellen kann sich höchstens dann als problematisch erweisen, wenn Auszüge aus der Bibel aus ihrem Kontext gerissen und damit zur Diskriminierung verwendet werden. Die Bibel darf nicht dazu dienen, um zu Hass oder Diskriminierung gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung aufzurufen. Es ist Sache der Gerichte, die konkreten Umstände zu beurteilen und das Gesetz anzuwenden. Auch hier gilt: wer respektvoll bleibt, riskiert keine Strafe.
In Zukunft ist es gemäss der erweiterten Strafnorm strafbar, eine für die Allgemeinheit bestimmte Leistung ausschliesslich wegen der sexuellen Orientierung und ohne sachlichen Grund zu verweigern. Es besteht jedoch kein Anspruch auf Abschluss eines Vertrags. Gestützt auf die Vertragsfreiheit darf grundsätzlich jede Person Verträge abschliessen, mit wem sie will, ohne dies begründen zu müssen.
Letzte Änderung 20.05.2020