Volksinitiative "Gegen Masseneinwanderung": Ablehnung ohne Gegenvorschlag

Bern. Der Bundesrat hat am Mittwoch von einem Aussprachepapier des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) Kenntnis genommen, das die Ablehnung der Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» ohne Gegenvorschlag empfiehlt. Er hat das EJPD beauftragt, ihm dazu bis spätestens Ende Jahr die Botschaft zuhanden des Parlaments zu unterbreiten.

Die Initiative, die am 14. Februar 2012 bei der Bundeskanzlei eingereicht wurde, verlangt eine grundsätzliche Neuausrichtung der schweizerischen Zuwanderungspolitik. Insbesondere schlägt sie vor, jährliche Höchstzahlen festzulegen, mit denen die Schweiz die Zuwanderung eigenständig steuern können soll. Die vorgeschlagene Regelung ist nicht mit dem Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) vereinbar, ebenso wenig mit der EFTA-Konvention. Die Initiative stellt damit die bewährten bilateralen Beziehungen zu unseren europäischen Partnerländern in Frage.

Bisherige Zulassungspolitik hat sich bewährt

Die Zulassungspolitik der Schweiz basiert zunächst auf dem Freizügigkeitsabkommen mit der EU (FZA) und der EFTA-Konvention: Aus diesen Ländern können Personen frei zuwandern, wenn sie hier eine Arbeitsstelle haben. Die Zulassung von Angehörigen aus den übrigen Staaten ist demgegenüber sehr restriktiv. Der Bundesrat hat für 2012 die Höchstzahlen auf dem Niveau von 2011 belassen, trotz starker Nachfrage der Wirtschaft.

Der Bundesrat stellt fest, dass sich dieses duale Zulassungssystem bewährt hat. Die Zuwanderung wird in erster Linie durch die gute wirtschaftliche Situation der Schweiz und die damit verbundene starke Nachfrage insbesondere nach qualifizierten Arbeitskräften beeinflusst. An dieser Zulassungspolitik will der Bundesrat festhalten.

Dass das schweizerische Wirtschaftswachstum und die vergleichsweise hohe Zuwanderung der letzten Jahre zu einem Bevölkerungswachstum geführt haben, das sich auf den Immobilienmarkt, die Verkehrsinfrastruktur und den Energieverbrauch auswirkt, verkennt der Bundesrat nicht. Er will daher die Steuerung der Migration und die Bekämpfung ihrer negativen Auswirkungen noch verbessern. Eine Grundlage dafür bildet der Bericht der Arbeitsgruppe Personenfreizügigkeit und Zuwanderung, den der Bundesrat am Mittwoch verabschiedet hat.

Auswirkungen einer Annahme der Initiative

Die Personenfreizügigkeit ist aus Sicht der EU eine Voraussetzung für eine Teilnahme am europäischen Binnenmarkt. Die Annahme der Initiative würde aus Sicht der EU und ihrer Mitgliedstaaten eine Diskriminierung ihrer Bürgerinnen und Bürger gegenüber Schweizerinnen und Schweizern darstellen, die nicht zu akzeptieren ist. Eine Neuverhandlung des FZA mit dem Ziel, eine Vereinbarkeit mit der Initiative zu erreichen, hätte daher aus Sicht des Bundesrates kaum Aussicht auf Erfolg.

Eine Kündigung des FZA hätte gravierende Konsequenzen für die Schweizer Volkswirtschaft, die jeden zweiten Franken in der EU verdient. Denn bei einer Kündigung des FZA würden automatisch auch alle andern sechs Abkommen hinfällig. Das FZA ist Teil eines Pakets von insgesamt sieben mit einander verbundenen sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU.

Ohne FZA hätten auch die Schweizer Bürgerinnen und Bürgern keinen garantierten Zugang mehr zum EU-Binnenmarkt. Die von der Initiative geforderte Zulassungsregelung würde also sowohl für die schweizerischen Arbeitgeber als auch für die Arbeitsmarkt- und Migrationsbehörden der Kantone und des Bundes zu einem erheblichen Mehraufwand führen. Ein solcher Ausbau der Bürokratie steht im Widerspruch zu der von breiten Kreisen geforderten Vereinfachung der Verwaltungsverfahren und zu einer Zuwanderung gemäss den wirtschaftlichen Bedürfnissen.

Untaugliches Steuerungsinstrument, Widerspruch zur Schweizer Tradition

Die Initiative fordert Höchstzahlen für Bewilligungen. Diese sollen auch für den Asylbereich und den Familiennachzug gelten. In beiden Bereichen bestehen für die Schweiz verfassungs- und völkerrechtliche Verpflichtungen, die keine Begrenzung über Höchstzahlen zulassen. Solche Höchstzahlen könnten in der Praxis also gar nicht eingehalten werden. Sie taugen für die Steuerung der Zuwanderung also nicht.

Nach Ansicht des Bundesrates kann die Initiative in einer Weise ausgelegt werden, die mit den zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts (Non-Refoulement-Prinzip) vereinbar ist. Sie kann daher für gültig erklärt werden. In der Botschaft zur Volksinitiative soll aber klar zum Ausdruck gebracht werden, dass im Fall einer Annahme für den Asylbereich Lösungen gefunden werden müssten, welche insbesondere die Einhaltung des absolut geltenden Non-Refoulement-Prinzips gewährleisten. Eine zahlenmässige Begrenzung der Bewilligungen im humanitären Bereich würde den traditionellen Werten der Schweiz zuwider laufen.

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Letzte Änderung 04.07.2012

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