Zivilprozess: Private und Unternehmen sollen leichter Zugang zum Gericht haben

Bern, 02.03.2018 - Die Schweizerische Zivilprozessordnung hat sich in der Praxis bewährt. Punktuelle Anpassungen sollen jedoch Privaten und Unternehmen den Zugang zum Gericht erleichtern und so die Rechtsdurchsetzung im Privatrecht weiter verbessern. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 2. März 2018 eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage verabschiedet. Insbesondere sollen die Kostenschranken und das Prozesskostenrisiko gesenkt, der kollektive Rechtsschutz gestärkt und die Verfahrenskoordination vereinfacht werden. Mit dem Gruppenvergleichsverfahren wird eine anerkannte Lücke im Rechtssystem geschlossen. Damit werden mehrere parlamentarische Aufträge erfüllt. Die Vernehmlassung dauert bis am 11. Juni 2018.

Am 1. Januar 2011 sind mit der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) die gesetzlichen Regelungen von Zivilverfahren schweizweit vereinheitlicht worden. Mehrere parlamentarische Vorstösse haben vom Bundesrat seither erste punktuelle Anpassungen des neuen Gesetzes verlangt. Mit der Motion 14.4008 wurde der Bundesrat beauftragt, die Praxistauglichkeit der ZPO insgesamt zu prüfen und dem Parlament allfällige Änderungen vorzuschlagen. Die nun durchgeführte Prüfung bei den betroffenen Fachkreisen zeigt, dass sich die ZPO nach Ansicht der Gerichte, Anwältinnen und Anwälte und der breiten Öffentlichkeit grundsätzlich bewährt hat. Der Bundesrat schlägt deshalb vor, sich auf die Anpassung einzelner erkannter Schwachpunkte zur punktuellen Verbesserung der ZPO zu beschränken.

Abbau von Kostenschranken

Heute halten teilweise hohe Prozesskostenvorschüsse insbesondere Angehörige des Mittelstands davon ab, Ansprüche auf dem Gerichtsweg geltend zu machen. Der Bundesrat will diese faktische Zugangsschranke zum Gericht abbauen. Er schlägt deshalb vor, die Prozesskostenvorschüsse zu halbieren. Damit sollen künftig auch Personen, die nicht in den Genuss der unentgeltlichen Rechtspflege kommen, ihre Ansprüche tatsächlich gerichtlich geltend machen können.

Zudem soll die Liquidation der Gerichtskosten neu geregelt werden. Heute kann die obsiegende klagende Partei geleistete Kostenvorschüsse ausschliesslich von der Gegenpartei zurückfordern. Ist die Gegenpartei zahlungsunfähig, muss die klagende Partei die Gerichtskosten damit trotz gewonnenem Verfahren selber bezahlen. In Zukunft soll dieses Risiko wegfallen: Für die Gerichtskosten soll sich das Gericht neu ausschliesslich an die unterliegende Partei halten. Mit diesen beiden Anpassungen trägt der Bundesrat der verbreiteten Kritik am Kostenrecht Rechnung.

Demgegenüber will er nicht in die kantonale Tarifhoheit eingreifen. Nach Ansicht des Bundesrates sind hier die Kantone gefordert.

Kollektiver Rechtsschutz: Lücke schliessen

Ist eine Vielzahl von Personen gleich oder gleichartig geschädigt, muss nach heutigem Recht grundsätzlich jede Person ihre Rechtsansprüche individuell vor Gericht geltend machen. Deshalb verzichten Geschädigte oft auf ein Gerichtsverfahren. Diese seit längerem bemängelte Rechtsschutzlücke will der Bundesrat in Erfüllung der Motion 13.3931 mit dieser Vorlage für das Privatrecht schliessen.

Neu sollen Unternehmen mit einem sogenannten Gruppenvergleichsverfahren eine einvernehmliche kollektive Streiterledigung mit Wirkung für alle Geschädigten erreichen können. Weiter schlägt er vor, die Verbandsklage für die klageweise kollektive Durchsetzung von finanziellen Ansprüchen zuzulassen. Diese Massnahmen erlauben es Unternehmen, Ansprüche aus sogenannten Massenschäden in einem einzigen Verfahren mit einem Verbandskläger beizulegen. Dieser Ausgleich rechtswidriger Gewinne beseitigt auch störende Wettbewerbsverzerrungen gegenüber Unternehmen, die sich rechtskonform verhalten.

Weitere punktuelle Anpassungen zur Verbesserung der Anwenderfreundlichkeit

In seiner Vernehmlassungsvorlage schlägt der Bundesrat weitere punktuelle Anpassungen der ZPO vor. So soll insbesondere die Verfahrenskoordination vereinfacht werden, was die kollektive Rechtsdurchsetzung ebenfalls erleichtert. Daneben sollen das Schlichtungs­verfahren, das sich in den letzten Jahren sehr bewährt hat, weiter gestärkt werden. Namentlich will der Bundesrat auch den Umgang mit Eingaben an ein unzuständiges Gericht oder an eine falsche Behörde anwendungsfreundlicher gestalten, ein Mitwirkungsverweigerungsrecht für Unternehmungsjuristinnen und -juristen und eine gesetzliche Grundlage für die Erstellung von schweizweiten Statistiken und Geschäftszahlen der Zivilgerichtsbarkeit schaffen.

Mit diesen Vorschlägen will der Bundesrat die seit ihrem Inkrafttreten in der Praxis bewährte Zivilprozessordnung punktuell anpassen und weiterentwickeln und damit den Zugang zum Gericht erleichtern und die Rechtsdurchsetzung im Privatrecht weiter verbessern.

Die Vernehmlassung zur Änderung der Zivilprozessordnung dauert bis am 11. Juni 2018.


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Letzte Änderung 30.01.2024

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